Rosa Anschütz: Goldener Strom – Albumreview

Rosa Anschütz by Anna Breit

Die Berliner Elektro-Dark-Wave-Musikerin Rosa Anschütz hat mit „Goldener Strom“ ein abwechslungsreiches Zweitwerk aufgenommen

Vor etwa zwei Jahren habe ich mich in „Votive“ verliebt, das Debütalbum (nach einer ebenso faszinierenden EP 2019) von Rosa Anschütz. Für mich als eher Gitarren-orientiertem Musikhörer mit zunehmendem Interesse an beatlastiger, elektronischer Musik war und ist dieses Werk enorm bewegend – die warmen sowie sphärischen Synthiesounds im Kontrast zu der, teilweise an Dark Wave erinnernden Stimme Anschütz‘ waren für mich in dieser Konstellation ein Novum. Ob es anderen, Techno-affineren Menschen dabei ebenso geht vermag ich nicht zu sagen: ich gehörte immer zu den Menschen, die nicht in die Technoclubs reinkamen in meiner diesbezüglich ziemlichen wegweisenden Heimatstadt Frankfurt, also bin nicht ich Schuld an meinem Unwissen sondern im Zweifelsfall die Türpolitik von Sven Väth und seinen damaligen Kollegen.

Elektronik und klasssich-analoge Instrumente

Rosa Anschütz Goldener Strom Cover BPitch Control

Die Berlinerin Anschütz beschränkt sich auf kein Instrument oder keine künstlerische Ausdrucksform, sie fischt aus dem Vollen und versteht im Gegensatz zu mir etwas von Elektronik sowie ebenso von klassischen analogen Instrumenten wie Klavier (ihr Einstieg), Gitarre, Trompete oder Querflöte. Sie spielte in Rock- wie in Big Bands bevor sie relativ schnell bemerkte, dass sie sich als Solistin besser musikalisch artikulieren kann. Mit dem Sound der von ihr verwendeten modularen Synthesizer holte sie mich alten Sack, der so etwas von Tangerine Dream oder Hawkwind kennt, natürlich ab und nahm mich gefangen; doch nun, mit „Goldener Strom“, geht Anschütz noch einen Schritt weiter: „Their Blood“ zum Beispiel verbindet Euro-Disco mit Cold Wave, dazu hypnotischer Sprechgesang. Pogo tanzen bis zum melancholischen Zwischenteil, der ätherisch zum Verschnaufen einlädt bis es wieder knallt. Holla.

Rosa Anschütz spricht auf Deutsch

„Bite the hands that feed you“ gibt uns Anschütz danach auf den Weg durch den Rest des Albums, der weit diverser ausfällt als der heiß geliebte Vorgänger. Ist das gut oder schlecht? Abwechslungsreicher in jedem Fall, bei jedem Hördurchgang dabei faszinierender – also gut. „Peak“ ist Dark Wave pur, Anschütz duettiert dabei mit sich selbst und es klingt absolut fantastisch, egal ob sie mehr spricht als singt oder liebreizende Melodien ins Ohr schmeichelt. „Sold Out“ später bietet sphärisches Singer/Songwritertum vor angehaltenem Orgelton, das melodische Instrument ist in weiten Teilen Anschütz‘ Stimme – man möchte sich reinkuscheln in diesen Sound. Ein Break folgt anschließend mit dem Titelstück: Rosa Anschütz spricht auf deutsch, es rummst monoton dahinter: dass ich dabei an X-Mal Deutschland denken muss oder an Malaria! muss an meinem Alter liegen.

Hang zur Melancholie

Wie bei den Vorgängern half auch diesmal wieder Jan Wagner im Studio – der Musiker, Produzent und Sounddesigner teilt Rosa Anschütz‘ Hang zur Melancholie sowie die Fähigkeit, aus einem grenzenlosen musikalischen Pool zu fischen. Ist „Goldener Strom“ also, wie der Promozettel vollmundig verspricht, das „erstaunlichste Album der Saison?“ Auch da habe ich mangels Kenntnis der meisten anderen keine Ahnung. Auf jeden Fall ist die Platte eine Perle, die zunehmend in diesen vier Wänden zu hören sein wird. Ob daraus die gleiche Liebe wie zu „Votive“ entsteht wird sich weisen.

„Goldener Strom“ von Rosa Anschütz erscheint am 27.05.2022 bei BPitch Control. (Beitragsbild von Anna Breit)

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